In Zeiten von Social Media mit Timelines, die von intransparenten Algorithmen kuratiert werden, und auf Werbefreundlichkeit optimiertem Content für die Masse wünscht sich der Eine oder die Andere das alte Internet zurück, in dem sinnvoller Austausch wichtiger als Aufmerksamkeit um jeden Preis war.
Mischt man die Dezentralität von E-Mails, die angenehme Diskussionskultur von fachspezifischen Internetforen mit der Microblogging-Funktionalität von Twitter vor der Übernahme durch Elon Musk, erhält man das Fediverse, das häufig umgangssprachlich als Mastodon bezeichnet wird.
Im Fediverse gibt es eine aktive, wachsende Amateurfunk-Community, die ich jedem Funkamateur und jeder Funkamateurin ans Herz legen möchte. Warum es sich lohnt im Fediverse aktiv zu sein und wie man mitmachen kann, möchte ich in diesem Artikel erklären.
Was ist das Fediverse?
Es gibt eine oft wiederholte Wikipedia-Definition des Fediverse, die inhaltlich absolut korrekt, aber auch sehr abstrakt ist. Um das Fediverse zu beschrieben, ist E-Mail eine gute Analogie: Es gibt Mailserver verschiedenster Anbieter, die E-Mails miteinander austauschen können. Ein Postfix-Server kann eine Nachricht an einen Microsoft Exchange-Server senden, weil beide das Protokoll SMTP implementiert haben. Mit Hilfe von E-Mail-Clients wie Outlook oder Thunderbird lassen sich E-Mails vom Endnutzer abrufen. E-Mail-Server, die sich als Spamschleudern entpuppen, werden irgendwann blockiert, sodass die meisten E-Mail-Server miteinander im Austausch stehen, aber eben auch nicht alle. Mailserver, deren User sich gegenseitig nicht kennen, tauschen ebenfalls keine Nachrichten miteinander aus.
Beim Fediverse ist in der Regel die Föderation von Microblogging-Servern mit Hilfe des Protokolls ActivityPub gemeint. Auch hier werden Nachrichten ausgetauscht, es handelt sich jedoch nicht um einen E-Maildienst, sondern um Nachrichten, die üblicherweise eine größere Zielgruppe haben. Man kann Nutzerinnen und Nutzern sowohl auf dem eigenen Server als auch auf anderen Servern folgen. Föderation bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Server miteinander Daten austauschen, sobald sich User unterschiedlicher Server folgen, das erfolgt automatisch über das ActivityPub-Protokoll. Admins können in die Föderation eingreifen und z.B. andere Server aus Moderationsgründen blockieren oder einschränken.
Was ist Mastodon?
Die wohl bekannteste Software, die ActivityPub fürs Microblogging implementiert hat, ist Mastodon, es gibt aber auch Alternativen wie z.B. Pleroma oder GoToSocial, die natürlich auch miteinander kompatibel sind. Und ähnlich wie bei manchen Mailservern, die eine Webmailfunktion im Browser haben, lassen sich diese Server auch im Browser nutzen. Es gibt aber auch Clients, die insbesondere für mobile Endgeräte optimiert sind wie z.B. der Android-Client Tusky.
Einen eigenen Mastodon- oder Pleroma-Server kann, aber muss man nicht hosten. Genau wie bei E-Mail ist es durchaus möglich einen eigenen Server zu hosten, man kann aber auch für Geld von Dritten einen Server hosten lassen oder nutzt ein kostenloses Angebot. Insbesondere die kostenlosen Server werden in der Regel von Privatleuten oder gemeinnützigen Vereinen ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben, die sich über Spenden freuen. Aber auch hier gibt es keinerlei Verpflichtung zu.
Und was soll das bringen?
Der nichtkommerzielle Spirit im Fediverse führt dazu, dass man nahezu gar keine Werbung zu sehen bekommt, auch gibt es keine Algorithmen, die das User Engagement optimieren sollen. Durch das Folgen von anderen Nutzerinnen und Nutzern oder Hashtags kann man selbst entscheiden, wessen und welche Inhalte man auf seiner Timeline sehen möchte. Meine persönliche Wahrnehmung ist, dass die Qualität der Beiträge deutlich höher ist, als ich es von anderen Plattformen gewohnt bin. Es geht nicht darum, wer die meisten Likes einfährt oder der größte Influencer ist, sondern um Austausch.
Im Fediverse gibt es allgemeine Server wie mastodon.social, aber auch Community-Server mit einem Themenschwerpunkt. Manche Städte wie z.B. Bonn oder Darmstadt haben Server, die von lokalen Vereinen betrieben werden, für Regionen wie Nord- oder Süddeutschland sind mit eigenen Servern vertreten oder auch Server mit Themenschwerpunkten wie Informationssicherheit oder Free and Open Source Software. Auch der Bund betreibt eine Mastodon-Instanz, auf der man z.B. der Bundesnetzagentur folgen kann. Aber auch das Umfeld des Chaos Computer Clubs ist mit Mastodon-Instanzen wie z.B. chaos.social vertreten.
Der Vorteil an dieser Verteilung liegt auf der Hand: Wenn mir die Regeln eines Servers oder der Umgangston nicht gefallen, kann man als User den ganzen Server blockieren. Wenn mir der Admin meines Servers nicht gefällt, kann ich ganz einfach den Server wechseln und sogar meine Follower mitnehmen. Außerdem gibt es auf Servern lokale Timelines: Das bedeutet, man kann sich eine Sicht auswählen, mit der man sehen kann, was die anderen User auf diesem Server schreiben. Das ist gerade bei themenspezifischen Servern spannend, weil man dort natürlich neue Inhalte entdecken kann, die zu den eigenen Interessen passen.
Und was hat das mit Amateurfunk zu tun?
Natürlich kommt auch der Amateurfunk nicht zu kurz, es gibt gleich mehrere Server, die einen Amateurfunk-Schwerpunkt haben. Mit mastodon.radio gibt es einen großen internationalen Server mit fast 1000 Usern und mit mastodon.hams.social eine weitere kleinere Instanz mit fast 200 Usern. Der DARC hat eine eigene Instanz mit über 100 Usern, zur Registrierung sind jedoch eine Mitgliedschaft bzw. der DARC-Login nötig. Es gibt mit radiosocial.de aber auch noch eine kleinere deutschsprachige Instanz, die von Nicht-Mitgliedern genutzt werden kann.
Es hat sich mit der Zeit eine tolle, wachsende Amateurfunk-Community im Fediverse gebildet. Man freut sich besonders, wenn man plötzlich ein QSO mit jemandem hat, den man schon länger im Fediverse verfolgt. Umgekehrt findet man auch QSO-Partner im Fediverse wieder. Es wird von Selbstbau, Portabelbetrieb, Contesting, Field Days und noch vielem mehr, das unser Hobby ausmacht, berichtet. Man lernt ständig spannende, neue Dinge und Leute kennen, und wird immer wieder dazu angeregt, neue Aspekte des Amateurfunks kennenzulernen. Es herrscht ein respektvoller, angenehmer Umgangston, auf dem im Fediverse mehr wert gelegt wird als auf anderen Plattformen.
Im Endeffekt ist es egal, welchen Server man nutzt, da es sich primär auf die lokale Timeline auswirkt. Folgt man erstmal Hashtags wie #hamradio oder #Amateurfunk sieht man sofort auch Inhalte der anderen Server, da alle Amateurfunk-spezifischen Server miteinander föderiert sind. Ich persönlich bin auf social.darc.de zu finden, weil ich es toll finde, dass der DARC seinen Mitgliedern einen Zugang ins Fediverse ermöglicht und ich dem DARC als Serverbetreiber natürlich vertraue.
Und wie lege ich jetzt los?
Zuallererst muss man sich für einen Server entscheiden, DARC-Mitgliedern würde ich persönlich die DARC-Instanz empfehlen, ansonsten dürfte mastodon.radio ebenfalls keine schlechte Wahl sein. Am Ende des Tages kann man den Server immer noch wechseln, insofern ist es wichtiger einfach loszulegen, als sich den Kopf über den richtigen Server zu zerbrechen.
Account registrieren
Bei den Servern mit offener Registrierung wie mastodon.radio registriert sich ganz normal mit seiner E-Mailadresse. Wie in Amateurfunkkreisen allgemein üblich, ist es auch hier Usus sein Rufzeichen als Nutzernamen anuzugeben. Auf der DARC-Instanz ist der Anmeldeprozess sogar noch einfacher, anstatt einen Account anzulegen, wählt man direkt den Login aus und nutzt die Schaltfläche “DARC-Anmeldung”, um sich mit seinem DARC-Account anzumelden. Sobald man das getan hat, wird der Account mit dem beim DARC hinterlegten Rufzeichen automatisch angelegt und man kann sofort loslegen.
Den ersten Usern und Hashtags folgen
Nach der ersten Anmeldung folgt man noch keinen anderen Usern oder Hashtags, im Gegensatz zu anderen Plattformen wird hier einem nichts aufgenötigt. Wenn man Usern anderer Server folgen will, gibt man besten den Usernamen inkl. des Servers in die Suche ein, auch das erinnert ein wenig an E-Mail-Adressen. Wer also auf mastodon.radio aktiv ist und mir folgen möchte, gibt am besten @DL6PL@social.darc.de
in die Suche ein. Dann wird mit ziemlicher Sicherheit mein Profil angezeigt inklusive eines Follow-Buttons. Genauso kann man #hamradio
in die Suche eingeben und dann in den Suchergebnis den Hashtag auswählen. Wenn man den Hashtag anklickt und die Posts, die mit diesem Hashtag versehen sind, anzeigt, gibt es auch einen Follow-Button um dem Hashtag zu folgen. Alle neuen Beiträge auf föderierten Servern, die mit diesem Hashtag veröffentlicht werden, landen dann in der eigenen Timeline.
Nach und nach werden neue interessante User und Hashtags in der Timeline auftauchen, denen man ebenfalls folgen kann. Durch eigene Posts, insbesondere mit passenden Hashtags, werden auch andere User auf einen aufmerksam und folgen einem. So wird man dann Stück für Stück teil der Amateurfunk-Community im Fediverse. Viel Spaß im Fediverse, ich freue mich von Euch zu lesen!